Die unruhige Struktur in dem Bild „Die Nervensäge“ drückt die innere Befindlichkeit eines hyperaktiven Menschen aus. Es ist eine sehr persönliche Arbeit. Ende 2014 waren meine Symptome des Irlen-Syndroms (IS, visuelle Wahrnehmungsstörung/Lichtallergie) besonders stark ausgeprägt.
Im Bild sind Bildfragmente außerhalb der Figur zu erkennen – ein typisches visuelles Merkmal des IS. Die zerstörte Fremdwahrnehmung kann zu einer gestörten Eigenwahrnehmung führen. Darauf verweisen die unzähligen Fragmente im Innern der Figur.
Die wahrgenommen Bildfragmente „nerven“, führen zu einem hyperaktiven Verhalten oder einem vollständigen Rückzug, einer Flucht nach Innen (Formen des Autismus).
Die Augen der Figur sind leblos, wie dunkle Höhlen dargestellt. Tatsächlich führt eine hohe Lichtempfindlichkeit des IS bei vielen Betroffenen zu starken Schmerzen. Die beiden blauen Kreuze sind angedeutete, christliche Symbole sowie angedeutete Pflaster. Beide verweisen auf das Thema „Leiden“ hin.
Der Text im oberen Teil des Bildes „Jeder dritter Mensch ein Gewinn“ spielt auf die Verwertbarkeit eines Menschen durch unsere kapitalistische Gesellschaft hin. Hier sind gesunde, funktionsfähige Menschen ein Gewinn, die im weitesten Sinne Leistungen erzielen. Der Wert eines Menschen orientiert sich scheinbar lediglich an einem Teilaspekt einer sehr komplexen Persönlichkeit, die mit ihren vielfältigen Eigenschaften eine unverwechselbare menschliche Existenz darstellt.
Die Nervensäge · Markus Jöhring · 100 x 140cm · Acryl auf Leinwand · 10/2014